Wirkgeschichte

Revolution. Langsam, aber sicher.

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Verwaltungsarbeit fußt traditionell auf Säulen, Zuständigkeiten und linearen Prozessen. Auch in der Bildungs- und Jugendarbeit. Aber weil die Aufgaben komplexer werden, sind heute immer öfter Teamarbeit, vernetztes Denken und agile Strukturen gefragt. Wie Impulse, Prozessbegleitung und gemeinsame Ziele kommunalen Verwaltungen bei der Transformation helfen, zeigen zwei Beispiele aus NRW und Berlin.

„Ich konnte mutiger sein, die Gremienstrukturen anzufassen, weil sie als Transferagentur an meiner Seite waren.“

Oliver Gulitz

Jugendamtsleiter im Bezirk Steglitz-Zehlendorf

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Auf kommunaler Ebene muss sich alles beweisen. Alles was Wissenschaft, Politik oder Bildungsstiftungen an Ideen für mehr Bildungsgerechtigkeit anschieben, muss letztlich in den Kommunen umgesetzt werden. Kommunale Verwaltungen im Bildungsmanagement zu unterstützen und zu qualifizieren, bildet einen wichtigen Hebel, wenn man die Chancen für Kinder auf Bildung und Teilhabe verbessern möchte. Mönchengladbach und Berlin sind zwei der rund 70 Orte, mit denen die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung dafür zusammengearbeitet hat.

Das ambitionierte, in Deutschland vielleicht wichtigste bildungspolitische Ziel im kommunalen Bildungsmanagement, ist die Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Leichter gesagt als getan – denn kommunale Strukturen erscheinen häufig unübersichtlich, Ämter arbeiten nebeneinander statt Hand in Hand und oft fehlt es an einer gemeinsamen Vision, wie Ziele erreicht werden können. Dabei sind schmale finanzielle Mittel schon allein ein Grund, Kräfte zu bündeln und in eine gemeinsame Richtung zu lenken.

Den Rahmen für einen langjährigen Entwicklungsprozess mit beiden Städten bot die Transferagentur für Großstädte, schnell überall TAG genannt. Sie war Teil der „Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement“ und ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Programm mit dem Ziel, Kommunen bei der Entwicklung eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) voranzubringen.

Das Regionale Bildungsbüro sorgt für Schnittstellenpower
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Rebekka Motte, Cora Alyassin, Katja Meyer-Wegner und Hannah Wehrmann (v. l. n. r.)

In Mönchengladbach, einer Stadt mit schwieriger sozioökonomischer Lage, leben viele der rund 270.500 Einwohner:innen von Transferleistungen. Um Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien gezielter zu unterstützen, führte die Stadt eine Schnittstellenstruktur ein: das Regionale Bildungsbüro. Hier begannen wichtige Fachbereiche aus dem Bildungs- und Sozialdezernat systematischer zusammenzuarbeiten. Die Leiterin des Regionalen Bildungsbüros, Cora Alyassin, selbst aus dem Fachbereich Schule und Sport kommend, benennt die gemeinsame Basis: „Wir haben das Thema Bildung in beiden Fachbereichen als wichtigsten Grundbaustein für Lebenslanges Lernen und Bildungsgerechtigkeit ausgemacht.“

Vernetzt denken und Routinen für den Austausch schaffen

 

Mit den Mitteln eines anderen Bundesprogramms richtet die Stadt Stellen für Schnittstellenmanagement und Datenmonitoring ein. Neues Personal ist das eine. Aber schafft man es, als Verwaltung plötzlich Routinen zu ändern, Menschen zu motivieren, Dinge in Frage zu stellen, die bisher „doch immer so gemacht wurden?“ Hier kam neben anderem die TAG ins Spiel. Sie unterstützte das neu zusammengestellte Team des Regionalen Bildungsbüros sowie die Geschäftsstelle für integrierte Bildungsplanung dabei, gremien- und einrichtungsübergreifend noch mehr zusammengewachsen und sich dabei inhaltlich immer wieder weiterzuentwickeln, sprich ein nachhaltiges Bildungsmanagement aufzubauen. Die TAG organisierte Beratung und Workshops und schuf Räume zur Reflexion von Prozessen.

Statt wie bisher in verschiedenen Säulen der Stadtverwaltung nebeneinanderher zu arbeiten, trifft man sich nun regelmäßig in Sozialraumkonferenzen auf Stadtteilebene, bei Abstimmungsrunden und Steuergruppen. Und inzwischen können die Mönchengladbacher auf viele erfolgreiche, ressortübergreifend entstandene Projekte blicken. Darunter auch der 2018 erstmals vom Regionalen Bildungsbüro herausgegebene Bildungs- und Jugendhilfebericht.

 

„Bei den Gesprächen in den Sozialraumkonferenzen bekommen wir ganz nah mit: Wo haben wir in unserer Bildungslandschaft noch Bedarfe? Die nehme ich dann wieder mit hoch in unsere Geschäftsstelle und in die Steuergruppe.“

Rebekka Motte

Schnittstellenmanagerin und Koordination der kommunalen Präventionskette

„Wir entwickeln sehr spezifische Projekte gemeinsam“, erläutert Alyassin. „Zum Beispiel unser Projekt zum Schulabsentismus. Das Thema geht den Fachbereich Kinder, Jugend und Familie genauso an, wie den Fachbereich Schule und Sport. Wir sind beide daran interessiert, die Schulabsentismuszahlen (also Schulabbrüche und -verweigerungen) zu senken. Und was ist dabei herausgekommen? Ein cooles Projekt, das von beiden Seiten entwickelt und mit einem Jugendhilfeträger umgesetzt wird.“ Das Mehr an Zusammenarbeit kann man auch schon im Stadtraum ablesen.

Kooperation wird im Stadtraum sichtbar

 

Im Mönchengladbacher Westend gab es viele schulische, soziale und kulturelle Einrichtungen, die bislang städtebaulich eher für sich standen. 2021 begann im Zuge der Zusammenarbeit mit der TAG ein Entwicklungsprozess für die Umgestaltung des Sozialraumes. Er ist heute abgeschlossen: Grundschule, Kindergarten, weiterführende Schule und das Gemeinschaftszentrum Westend sind alle um einen nun freundlichen kleinen Platz gruppiert. Mit der umgebauten Alexianerstraße ist ein Ort für Aufenthalt und Begegnung entstanden, an dem Bildungs- und Integrationsmöglichkeiten niedrigschwellig für alle Einwohner:innen des Quartiers erreichbar sind. Die Angebote der Einrichtungen sollen vor allem die gesellschaftliche Teilhabe unterstützen, die Nachbarschaft und soziale Stabilität stärken sowie die Übergänge entlang der Bildungskette befördern, also für einen guten Wechsel von der Kita in die Schule bzw. von der Grundschule in die weiterführenden Schulen sorgen. Die Umgestaltung des Viertels führte unterm Strich dazu, dass sich die verschiedenen Institutionen stärker miteinander vernetzen und kooperieren.

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Der neugestaltete Platz vor dem Gemeinschaftszentrum „Westend“
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Und noch etwas brachte die Umstrukturierung der Mönchengladbacher Verwaltung mit sich. Mit der Gründung des Regionalen Bildungsbüros und der Geschäftsstelle Integrierte Bildungsplanung wurden auch andere Berufsgruppen angestellt, die Bildung und Bildungsverwaltung mit frischem Blick und neuen Methoden angehen.

„Das Öffnen von Verwaltung für andere Expertisen – also Menschen, die keine klassische Verwaltungsausbildung gemacht haben – ist wichtig und prägt Verwaltung. Je mehr Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen und Professionen zusammenarbeiten, umso effektiver und effizienter ist Arbeiten.“

Katja Meyer-Wegner

Bildungsmonitorerin im Regionalen Bildungsbüro, Fachbereich Schule und Sport

 

Mit Katja Meyer-Wegner gehört nun beispielsweise eine Soziologin zum Team. Die Daten, die sie im Bildungsmonitoring auswertet, bilden die Grundlage für den Bildungs- und Jugendhilfebericht und sind wichtiger Bestandteil laufender Berichterstattungen.

Auf Basis des Bildungsberichts priorisierte die Politik sechs Handlungsfelder, die jetzt fachbereichsübergreifend angegangen werden. Ein Handlungsfeld lautet zum Beispiel: Frühe Bildung vielfältig gestalten. In Mönchengladbach wird nun vernetzter gedacht und gehandelt. Verlässliche Schnittstelle ist dabei das neu entstandene Regionale Bildungsbüro.

Mal durch die Brille der anderen schauen

 

Schwenk nach Berlin: Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf im Südwesten der City gelegen hat 307.135 Einwohner:innen, mehr Menschen als in Mönchengladbach leben. Er besteht trotz seines Images als gutbürgerliche Gegend aus ganz verschiedenen Kiezen, auch in sozialräumlicher Hinsicht. Der Bezirk hatte sich vorgenommen, junge Menschen in ihren Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten und ihrer persönlichen Entwicklung zu stärken. Dieses Ziel konnte mit Hilfe der Transferagentur für Großstädte erreicht werden. Ein ergebnisoffener Entwicklungsprozess brachte die Leitungskräfte von ganz unterschiedlich aufgestellten Jugendfreizeiteinrichtungen an einen Tisch mit dem Team des Jugendamtes. Das System, indem man bisher zusammenarbeitete, konnte so auf den Prüfstand gestellt werden, Probleme wurden benannt und analysiert.

„Durch den Blick von außen und den aktiven Prozess mit den erforderlichen Zeitfenstern war es uns (…) möglich, auch mal anders zu denken.“

Christine Winzer

Leitung der Jugendförderung im Jugendamt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf

Eine lange bestehende, als intransparent und den aktuellen Rahmenbedingungen der bezirklichen Jugendarbeit unangemessene Mittelverteilung konnte abgeschafft werden. Entwickelt wurde ein gerechteres Verteilungsmodell, das auch Beteiligungsverfahren mitführt und die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen fördert. Und Innovationsgeist stärker belohnt. Die Themensetzung orientiert sich an einem Jugendförderplan sowie Ergebnissen aus bezirklichen Kinder- und Jugendbeteiligungsprozessen. Qualitätssicherung und Nachsteuerung erfolgt in jährlichen Auswertungsgesprächen. Dazu gibt es Sachberichte und Zielvereinbarungen zwischen der Sozialraumkoordination und den Einrichtungen. Die Prozessbegleitung durch die TAG hat, so Jugendamtsleiter Oliver Glulitz im Rückblick, zu einem tragfähigen und transparenten Verteilungssystem geführt.

„Ohne externe Begleitung der TAG hätte ich den Prozess so nicht durchführen können. Ich kann nicht inhaltlich steuern, die Konflikte regeln und dabei gleichzeitig den Prozess im Blick behalten.“

Oliver Gulitz

Jugendamtsleiter im Bezirk Steglitz-Zehlendorf

Die Transferagentur für Großstädte (TAG) der DKJS folgte einem Grundansatz der DKJS, nach dem die Stiftung auch in der Zusammenarbeit mit Kommunen in anderen Programmen handelt: Sie setzte Vertrauen in die Menschen vor Ort, half beim Bündeln von Expertise und schaffte Raum für Begegnung, Austausch und einen offenen Entwicklungsprozess.

2023 hat die DKJS insgesamt 1.772 Fach- und Leitungskräfte von Verwaltungen in ihren Programmen erreicht. Ein wiederkehrendes Learning: Das Team ist der Star. Ob auf Verwaltungsebene, der Bühne des Jugendtheaterprojekts oder dem Spielfeld Schule. Wer zusammenarbeitet, erzeugt Mehrwert und erreicht seine Ziele nachhaltiger. Schafft positive Veränderungen für alle, Kinder, Jugendliche und Erwachsene und nicht zuletzt auch die eigenen Arbeitsstrukturen.

Wirklogik

 

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung macht Kommunalverwaltungen fit, damit sie Herausforderungen in unterschiedlichen Bildungsbereichen bewältigen und das Leben und die (Bildungs-)Chancen von Kindern und Jugendlichen positiv beeinflussen können.

  • Junge Menschen, aber auch Erwachsene haben ein Recht auf lebenslang zugängliche, attraktive kommunale Bildungsangebote (PwC 2017, EU 2018). Kommunen sind zentrale Bildungs-, Begegnungs-, und Lebensorte, an die steigende Anforderungen gestellt werden, z. B. digitale Bildung und Ganztagsausbau. Kommunale Bildungsangebote in Deutschland gehen häufig nicht bedarfsgerecht auf aktuelle Herausforderungen ein – wie steigende Armut, Integration, Raummangel sowie Wettbewerb um Fachkräfte (Slupina et al. 2019). Um sich diesen Herausforderungen anzunehmen, fehlt es in den kommunalen Verwaltungen häufig an …

  • In der Zusammenarbeit mit Kommunen zielt die DKJS darauf ab, die Handlungsfähigkeit von Verwaltungen zu erhöhen, d. h. Kommunen in die Lage zu versetzen, ihre Bildungsstrukturen und -angebote auf die regionalen Gegebenheiten und Anforderungen zuzuschneiden. Grundlage dafür ist eine datenbasierte und ressortübergreifende Arbeitsweise. Wir setzen besonders bei den Planungs-, Zusammenarbeits- und Steuerungsstrukturen in den kommunalen Verwaltungen und den dort arbeitenden Personen an. Durch starke Kommunen erhalten junge Menschen, aber auch Erwachsene bedarfsgerechte Bildungsangebote und damit uneingeschränkte Teilhabechancen.

  • In vier Programmen förderte die DKJS 2023 gezielt Kommunen beim Aufbau und der Weiterentwicklung eines datenbasierten Bildungsmanagements. Der Fokus lag auf unterschiedliche Regionen – z. B. Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

    Für die Stärkung von Kommunen wurden in den Programmen insgesamt 349 Aktivitäten umgesetzt. Insbesondere …

    • Kommunalberatungen, u. a. zu ressortübergreifenden Bildungsstrategien und der Ausgestaltung von niederschwelligen, präventiven und bedarfsgerechten Bildungsangeboten.
    • Qualifizierungen und Publikationen, u. a. zu datenbasiertem kommunalen Bildungsmanagement, wirkungsorientiertem Arbeiten und lebenslangem Lernen.
    • Netzwerktreffen, u. a. zum Austausch von Beispielen guter Praxis.
  • Kernzielgruppe sind hier Fach- und Leitungskräfte in der Kommunalverwaltung. Mit den 349 Aktivitäten werden daher ausschließlich Erwachsene direkt erreicht. 2023 waren das 1.293 Erwachsene, mehrheitlich Fach- und Leitungskräfte der kommunalen Verwaltung. Von den strukturellen Veränderungen in den Kommunen profitieren wiederum auch Kinder und Jugendliche.

Unsere Wirkhebel im Handlungsfeld Kommunen stärken
1.

Durch die Kommunalberatung wird das Bildungsmanagement in Kommunen verbessert und Bildungsangebote niederschwelliger, bedarfsgerechter und präventiver ausgestaltet.

2.

Durch Qualifizierungen und Netzwerktreffen entwickeln Akteur:innen der Kommunalverwaltung neue Routinen und transferieren ihr Wissen in die Kommune.

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Gesellschaftlicher Mehrwert

Durch bedarfsgerechtes Bildungsmanagement in Kommunen bilden sich Menschen lebenslang wohnortnah weiter und haben umfangreiche gesellschaftliche Teilhabechancen.

Damit werden wir uns mehr beschäftigen

 

Markus Linder, DKJS-Experte für kommunales Bildungsmanagement formuliert, wo zukünftig den Schwerpunkt in der Begleitung von Kommunen liegt: In der Kommune sieht man den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungs- sowie Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen besonders deutlich. Bildungs- und sozialpolitische Herausforderungen werden immer anspruchsvoller – hinzu kommen globale Krisen und ein drängender Fachkräftemangel – und die Kommunen sind gefordert, Lösungen zu finden. Die Rolle der Kommunalverwaltungen hat sich dabei in den letzten Jahren stark verändert und viele Kommunen sind veränderungsbereit:  Sie werden immer mehr zu aktiven Gestalterinnen des Bildungsgeschehens vor Ort. Durch gute Bildungssteuerung kann die Kommune eine bedarfsorientierte und qualitativ hochwertige Bildung organisieren, um so Ungleichheit entgegenzuwirken und Zukunftsperspektiven zu eröffnen.

Im Handlungsfeld Kommune der DKJS machen wir Kommunen fit für eine qualitativ hochwertige Bildungslandschaft vor Ort – für mehr Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit sowie gelingende Bildungsbiografien. Wir unterstützen themengetriebene Veränderungsprozesse durch Kommunalberatung und Qualifizierung und fördern den Interkommunalen Wissenstransfer und Vernetzung.

Dadurch sollen Kommunen handlungsfähig bleiben und befähigt werden, bildungsbezogene Herausforderungen bedarfsgerecht zu bearbeiten und ihre Zukunftsfähigkeit zu erhöhen.

Porträtfoto

Markus Lindner

Kommunales Bildungsmanagement | Stadt

DKJS Hamburg mit Bremen und Niedersachsen
Winterhuder Weg 86
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+49 (0)40 38 07 15 35 1
markus.lindner@dkjs.de

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