Wirkgeschichte
Stell‘ Dir vor, es ist Schulgespräch und alle freuen sich drauf!
Beim Stichwort Elterngespräch oder Elternsprechtag entwickeln weder Kinder, Eltern noch Lehrkräfte Glücksgefühle. Dass der Austausch zwischen allen Beteiligten aber ein richtiger Motivationsbooster auf allen Ebenen werden kann, zeigte sich in Schleswig-Holstein.
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Im Rahmen des DKJS-Programm LIGA-Lernen im Ganztag, an dem insgesamt 5 Bundesländer teilnahmen, entschied sich die Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule in Kiel, ein Präsenz-Problem anzugehen: Regelmäßig angesetzte Elternsprechtage zu den Lernbiografien der Schüler:innen stießen bei den Eltern auf wenig Resonanz. Die Erwachsenen zur Mitarbeit in einer Partnerschaft aus Erziehung und Bildung zu gewinnen, gelang dem Kollegium nicht wie gewünscht. Die Eltern erschienen häufig nicht zu den Terminen und für die Kinder bedeuteten sie oft Stress.
Angeregt durch einen LIGA-Impulsvortrag über die Dimensionen von Unterrichtsqualität beschäftigte sich die Schule mit dem Zusammenhang von Wohlbefinden und gutem Lernen und suchte in der ersten Programmphase zusammen mit den LiGa-Expert:innen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung nach einer Lösung für ihr Problem. Man schaute sich um – zum Beispiel in Dänemark auf einer Fachexkursion. Anschließend starteten die Kieler im Modellversuch ihre „Schüler:innen-Eltern-Lehrer:innen im Gespräch“ – kurz SELG. Fast sofort waren neue, positive Vibes zu spüren. Was machte den Unterschied aus?
„Bei den Gesprächen geht es halt immer darum, die Stärken und vielleicht auch manchmal Schwächen des Kindes zu sagen. Und dass sich das Kind dann am Ende auch gut fühlt dabei.“
Schüler der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule
Die Elternsprechtage wurden zur Chef:innensache erklärt. „Chef:innen“, das sind die jungen Hauptpersonen, um die es sich in der Schule eigentlich ja dreht: die Kinder. Sie sind bei SELG diejenigen, die zum Gespräch bitten. Als Teil des Konzepts gestalten sie auch die Einladungen für ihre Eltern. Die Mädchen und Jungen bekommen einen Fragebogen und Zeit, sich auf ihren Termin vorzubereiten. Die älteren leiten die Gespräche sogar.
Wichtig auch: Alle wissen inzwischen, es stehen dabei nicht Leistung und Bewertungen im Vordergrund. „Da geht’s nicht um: Die Mathenote ist schlecht und in Englisch ist das und das schief gegangen. Wir gucken, was können die Schüler und Schülerinnen, was ist eigentlich toll an diesem kleinen Menschen, der da vor uns sitzt“, beschreibt es Lehrerin Sonja Stoffers.
„Die Elternarbeit ist viel positiver und enger geworden. Wir haben auch viele Eltern bei uns, die selbst schlechte Schulerfahrung gesammelt haben (…) und die merken jetzt, mein Kind wird gesehen und es geht nicht immer nur um die schulische Leistung, sondern um die Persönlichkeit.“
Sonja Stoffers
Lehrerin der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule

Alle – Kinder und Jugendliche, ihre Eltern und die Lehrer:innen – wurden mit dem neu eingeführten Gesprächsformat Teil eines durchweg positiven, empowernden Gemeinschaftsprozesses. SELiG-Gespräche laden auf allen Seiten zur Selbstreflexion und neuen Erkenntnissen ein, stützen die Schüler:innen immer kompetenzorientiert in ihren Stärken. Auf Basis einer positiven Fehlerkultur lassen sie aus Schwächen Chancen werden.
An der Klaus-Groth-Schule haben die Lehrkräfte die Erfahrung gemacht, dass die Schüler:innen aus sich selbst heraus und viel bewusster an ihren Themen arbeiten und sich so über das Lernjahr hinweg positiv weiterentwickeln.
„Ich habe gelernt, dass man immer über Sachen sprechen kann, wenn man was auf dem Herzen hat. Ich fühle mich da immer sehr frei, weil ich halt im geschlossenen Kreis erzählen kann, wie es mir geht und so. Und wenn ich dann aus dem Gespräch rauskomme, fühle ich mich immer so befreit, weil ich einfach den Lehrern sagen kann, was gut ist, was schlecht, was mich mich bedrückt. Und auch, dass meine Eltern dann da sind noch als Unterstützung.“
Schülerin der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule

Die Freiheit zur Gestaltung für die Kinder und Jugendlichen als Hauptakteure ist sogar so groß, dass sie sich entscheiden dürfen, welcher Lehrer oder welche Lehrerin aus ihrem Schulalltag dabei sein soll. Neben den Eltern darf auch gern noch jemand anderes, z.B. Großeltern oder Freund:innen, kommen. Im laufenden Schuljahr werden die jungen Schüler:innen sukzessive auf die Termine vorbereitetet: Die Konzeption wird besprochen und wie man den Dialog mit Eltern und Lehrer:innen leitet, geübt. Die SELGs verbreiten mit ihrem bewusst familiär gestalteten Charakter immer eine ernsthaft-zugewandte Atmosphäre.
Die schülerzentrierten Reflexionsgespräche sind nicht nur an der Klaus-Groth-Schule ein Erfolg. In einer Schule, die zu 78 Prozent von nicht-deutschen Kindern besucht wird, kommen laut DKJS-Programmleiterin Nadine Lange inzwischen fast alle Eltern zum Termin – eben seitdem es gemeinsame Gespräche sind, zu denen die Schüler:innen einladen. Mehr zu den Ergebnissen des Programms im Zwischenbericht Evaluation: Wie LiGa wirkt.
Kurzfristig und bedarfsorientiert an wichtigen Stellschrauben im Schulalltag zu drehen und so mittel- und langfristig die Qualitätsentwicklung im Ganztag voranzutreiben – dieses Ziel von LiGa – Lernen im Ganztag wurde mit dem Modellprojekt an der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule erreicht: Eltern, Lehrer:innen und Schüler:innen profitierten in Kiel klar. Die DKJS ging mit LiGa und einem neu eingerichteten Modellnetzwerk ab 2020 in die zweite Phase: Best-Practice-Beispiele sollten skalierbar werden. SELG-Gespräche waren nun Schwerpunkt und ein gesetztes Entwicklungsvorhaben für fünf weitere Schulen im Bundesland, die neu am Programm teilnahmen.
Außerdem entwickelte das DKJS-Programmteam mit Schulpraxis, Wissenschaftlern, Schulaufsicht und Ministeriumsvertretern eine Toolbox. Die hilft anderen Schulen solche Gespräche einzuführen: Toolbox für Schüler:in, Eltern, Lehrer:in im Gespräch (SELG)
„Ich glaube, dass LiGa als Prozess, unglaublich was verändert hat in der Schullandschaft in Schleswig-Holstein. Ich hätte mir vor allen Dingen nicht vorstellen können, wie über Haltungen von Aufsichten in Richtung Schule, wie über notwendige Transformationen gesprochen wird, und wieviel Bereitschaft da ist, auch ein Stück zentrales Controlling zurückzufahren zugunsten von Entwicklungsprozessen in der Region, in der Schule, in Netzwerken.“
Gruppeninterview mit Schulaufsichten und Schulleitungen in Schleswig-Holstein
Im Schleswig-Holsteiner Rahmenkonzept mit dem Schwerpunkt datengestützte Qualitätsentwicklung für das neue Schuljahr 2024/25 nimmt die Feedbackkultur einen wichtigen Platz ein und wird allen Bildungseinrichtungen empfohlen. Für die allgemeinbildenden Startchancen-Schulen ist die Einführung des Schüler:innenfeedbacks sogar verpflichtend. Dies in Form der schüler:innengesteuerten Schul-Elternhaus-Gespräche zu tun, wird im Konzept empfohlen.
Handlungsleitend in allen Programmen, mit denen die DKJS Bildungsorte wie Kitas, Schulen oder Berufsschulen unterstützt, sind der individuelle Bedarf und die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Die Stiftung fördert Konzepte, die auf den Erwerb wichtiger Basiskompetenzen und eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung zielen. Wir verbessern die Zusammenarbeit über Fach- und Zuständigkeitsgrenzen hinweg und setzen dabei auf die professionelle Haltung, die Kooperations- und Gestaltungskompetenz sowie den Reformwillen der beteiligten Erwachsenen.
Wirklogik
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung begleitet Leitungen, Fach- und Lehrkräfte an Kitas, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen dabei, diese zu kind-, stärke- und lebensweltorientierten Bildungsorten für alle Kinder und Jugendlichen zu entwickeln.
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Die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen sind in Deutschland ungerecht verteilt. Der Bildungserfolg junger Menschen hängt stark von ihrer sozialen Herkunft ab (PISA-Studie, 2022). Herkunftsbedingte Unterschiede zeigen sich bereits im frühesten Kindesalter und bleiben bis zum Ende der Schulzeit bestehen (Skopek, 2020). Jedes Jahr verlässt über ein Fünftel aller Schüler:innen die Schule ohne oder mit einem Haupt- bzw. erstem Schulabschluss (KMK, 2023).
An formalen und non-formalen Bildungsorten gelingt es Fach- und Lehrkräften nicht, Kinder und Jugendliche so zu fördern und die Übergänge zwischen den Institutionen so zu gestalten, dass alle am Ende der Schulzeit erfolgreich in eine berufliche und persönliche Zukunft starten. Auch dringend notwendige strukturelle Änderungen und Reformen im Bildungssystem bleiben aus.
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Die DKJS zielt darauf ab, dass …
- alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland an qualitativ hochwertigen und aufeinander bezogenen Bildungsorten erfolgreich lernen. Das heißt, sie erweitern ihr Wissen, ihre Kompetenzen und werden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert.
- Leitungen sowie Fach- und Lehrkräfte gemeinsam eine inklusive, stärke-, lebenswelt- und kindorientierte Bildungspraxis verwirklichen und gelingende Übergänge gestalten.
- Fach- und Leitungskräfte in der Bildungsverwaltung Rahmenbedingungen für eine gute Bildungspraxis schaffen, z.B. indem sie Ressourcen bereitstellen und Bildungsorte in ihrer Entwicklung unterstützen.
- sich die Zusammenarbeit zwischen Bildungsakteuren verbessert und sich die Veränderungsbereitschaft sowie -geschwindigkeit im Bildungssystem erhöht.
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In 22 Programmen mit Wirklogik förderte die DKJS 2023 gezielt die Qualitäts- und Weiterentwicklung von Bildungsorten, insbesondere Kitas und Schulen. Wichtige Schwerpunkte waren multiprofessionelle Kooperationen, gelingende Übergänge und ganztägige Bildung.
In den 22 Programmen wurden 4.276 Aktivitäten zur Qualitäts- und Weiterentwicklung von Bildungsorten umgesetzt. Dazu zählen insbesondere …
- Qualifizierungen für Leitungen sowie Fach- und Lehrkräfte zur pädagogischen, konzeptionellen und strukturellen Weiterentwicklung von Bildungsorten und ihren Angeboten für Kinder und Jugendliche.
- Begleitungen und Beratungen von Leitungen sowie Fach- und Lehrkräften an Schulen, Kindertagesstätten und der Kinder- und Jugendarbeit sowie von Mitarbeitenden in der Bildungsverwaltung (u.a. Schulaufsicht, Kita-Träger, Kultusministerien etc.) zur gemeinsamen Qualitätsentwicklung und Zusammenarbeit.
- Dialogveranstaltungen und Publikationen zur Vertiefung und Verbreitung von Wissen, guter Praxis und Innovationen an Bildungsorten bzw. im Bildungssystem.
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Kernzielgruppe waren Fach- und Lehrkräfte sowie Leitungen an verschiedenen Bildungsorten. Mit den 4.276 Aktivitäten wurden insgesamt 11.307 Erwachsene erreicht. Davon arbeitete über die Hälfte an Schulen, knapp ein Fünftel in Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit und gut 10 Prozent in Kindertagesstätten. Darüber hinaus wurden in geringerer Zahl Fachberater:innen sowie Fach- und Leitungskräfte der Bildungsverwaltung und -steuerung eingebunden. Kinder und Jugendliche wurden v. a. indirekt über die nachhaltige Verbesserung von Angeboten und Strukturen an ihren Lernorten erreicht.
Ausblick
In diesem Handlungsfeld werden wir unseren Blick künftig noch stärker über die einzelnen Institutionen hinaus weiten, sagt Anna Davis, DKJS-Expertin für Schule und Ganztag. Das heißt in den Programmen wird es viel um das Zusammenwirken unterschiedlicher Bildungseinrichtungen, Professionen und Zuständigkeiten gehen. Die wichtigste Orientierung dafür sind und bleiben aber die Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie ihre individuellen Bedürfnisse.
In der Frühen Bildung werden neben Kitas auch Ansätze wie Familienzentren oder lokale Bündnisse eine wichtige Rolle spielen. Im Bereich der Schulen fördern wir die Verknüpfung von formaler und non-formaler Bildung, unterstützen Startchancenschulen und stärken die Rolle der Schulaufsicht.
„An der Frage, wie faire Zu- und Übergänge im Bildungssystem gelingen, bleiben wir dran.“
Anna Davis
DKJS-Expertin Schule und Ganztag

Anna-Margarete Davis
Schule & Ganztag
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